Das Krankenkassensystem in der Schweiz

Heute widme ich mich dem sehr zentralen und wichtigen Thema ‚Krankenkasse‘. Die Menschen in der Schweiz haben das Glück, von einem Krankenversichertensystem zu profitieren, wie in so vielen Ländern Europas, aber lange nicht wie in vielen Ländern der Welt. Selbst in den USA gibt es immer wieder Diskussionen bezüglich dieses Themas. In der Schweiz ist es Pflicht, sich bei einer Krankenkasse zu versichern.
Gerade die Umstellung für mich, als ich vor 16 Jahren in die Schweiz gekommen bin, war doch stark gewöhnungsbedürftig. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich gefragt wurde, wie hoch mein Selbstbehalt sein soll.

Aber schön der Reihe nach.

Im Jahre 2016 gibt es in der doch so kleinen Schweiz ca. 70 (!) Krankenkassen.

Die Grundversicherung umfasst Leistungen für Krankheit, Unfall und Mutterschaft. Bei Unfällen springt die Krankenversicherung allerdings nur dann ein, wenn die versicherte Person über keine andere (obligatorische oder private) Unfallversicherung verfügt. Obligatorisch gegen Unfall versichert sind alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in der Schweiz beschäftigt sind und mehr als 8 Stunden pro Woche arbeiten. Diese können die Unfalldeckung in ihrer Krankenversicherung ausschliessen.

Während es in Deutschland die gesetzliche oder private Krankenversicherung gibt, (bei der gesetzlichen sind die Beiträge prozentual festgelegt und der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer teilen sich die Kosten), zahlen in der Schweiz die Angestellten die Kosten für die Krankenversicherungsbeiträge auch bei der obligatorischen Grundversicherung selber. Bei der obligatorischen Krankenversicherung (Grundversicherung) müssen alle Versicherer gemäss Krankenversicherungsgesetz (KVG) die gleichen Leistungen anbieten. Die Prämien sowie der Service dafür sind allerdings sehr unterschiedlich, weshalb es sich lohnt, die Angebote und Unterschiede genauer zu vergleichen. Über die Grundversicherung hinausgehende Leistungen decken die so genannten Zusatzversicherungen ab. Auch hier unterscheiden sich die verschiedenen Kassen extrem. So zahlen die einen bei einer Brille gar nichts, andere alle 3 Jahre 200 CHF, andere 150 CHF oder 300 CHF jährlich, um nur ein Beispiel zu nennen. Aus diesem Grund lohnt es sich manchmal eine teurere Versicherung zu nehmen, weil sie im Endeffekt mehr zahlt. Pauschal kann man nicht sagen, welche die beste Kasse ist, da bei der Prämienberechnung viele Faktoren mit einbezogen werden. So kann die Krankenkasse A im Kanton Basel sehr günstig sein und im Kanton Zürich sehr teuer. Bei den Zusätzen werden sogar Unterschiede bei Alter und Geschlecht gemacht.

In der Schweiz müssen sich die Versicherten an den Behandlungskosten beteiligen. So muss einerseits ein Selbstbehalt von 10% (max. 700 CHF /Jahr) geleistet werden, andererseits übernehmen die Versicherten auch einen im Voraus festgelegten Selbstbehalt, die so genannte Franchise (300/500/1000/1500/2000/2500). Dies ist die besagte grösste Umstellung der Krankenkasse. Aber auch hier kann ein Profi einen gut beraten. Wer einen höheren Selbstbehalt auswählt, der zahlt monatlich weniger, wer kein Risiko eingehen will und den kleinsten Selbstbehalt wählt, der zahlt dafür monatlich mehr. Den Selbstbehalt kann man Jahr für Jahr ändern oder anpassen.

In der Schweiz gibt es auch vier verschiedene Grundmodelle:

  1. Standard: Kostet im Monat am meisten, man kann aber jederzeit zu jedem Arzt, auch direkt zum Spezialist.
  2. Hausarzt: Egal was man hat, man geht immer zuerst zum Hausarzt, dieser kann in den meisten Fällen schon vieles machen und überweist notfalls an einen Spezialisten. Die Kassen können so Kosten einsparen, was sich auf den monatlichen Beitrag auswirkt. (Ausnahmen sind Zahnarzt, Augenarzt und Frauenarzt)
  3. Telefonmodell: Manche Krankenkassen bieten das Telefonmodell an. Hier ruft man erst eine Telefonnummer an und bekommt eine telefonische Beratung. Diese können wiederum Ratschläge geben, was einen Arztbesuch überflüssig macht, auch deshalb ist das Modell oft günstiger.
  4. Gruppenpraxismodell: Der Versicherte verpflichtet sich im Krankheitsfall eine bestimmte Praxis aufzusuchen. Aufgrund der eingeschränkten Arztwahl profitieren Versicherte von einem Prämienrabatt von bis zu 25% im Vergleich zum Standard-Modell.

Ein weiterer Unterschied sind die zahnärztlichen Behandlungen. In der Schweiz sind diese nur wenigen Fällen von der Grundversicherung übernommen. Bezahlt werden nur Zahnbehandlungen einer schweren und nicht vermeidbaren Erkrankung des Kausystems oder Behandlungen einer schweren Allgemeinerkrankung und ihrer Folgen. Kosten für Zahnfüllungen bei Karies oder die Korrektur von Zahnstellungen (Zahnspangen) müssen in einer Zusatzversicherung abgedeckt oder selber bezahlt werden. Für ältere Menschen kann dies sehr teuer werden, sodass es sich nicht mehr lohnt. Dazu müssen sie auch mit einem Formular zum Zahnarzt, der die Zähne begutachtet und es dokumentiert. Die Krankenkasse kann dann je nach Zustand und Risiko der Zähne zustimmen, ablehnen, einen Ausschluss (eines oder mehreren defekten Zähnen machen) oder einen höheren Preis fordern.

Besonderes: In der Schweiz trennt man zwischen Krankheit und Unfall. Nur wer bei der Krankenkasse ‚Unfall‘ eingeschlossen hat, bekommt die Kosten bei einem Unfall von der Krankenkasse bezahlt. Arbeitnehmer, die beim Arbeitgeber auch für Nichtberufsunfall versichert sind, melden einen Unfall immer beim Arbeitgeber und diese Versicherung übernimmt dann alles. Ohne Selbstbehalt! Während man in Deutschland auch den Lohn von der Krankenkasse gezahlt bekommt, bekommt man in der Schweiz den Lohn von der Krankentagegeldversicherung gezahlt, sofern der Arbeitgeber eine (ist nicht obligatorisch) abgeschlossen hat. Es steht dann im Vertrag.

Prämienverbilligung: Personen, die über bescheidene finanzielle Möglichkeiten verfügen, werden beim Bezahlen der Krankenkassen unterstützt. Wer Anspruch auf Prämienverbilligung hat, ist kantonal geregelt. Massgebende Kriterien sind Einkommen und Anzahl der Kinder. In vielen Kantonen wird man direkt von der Verwaltung informiert, wenn man berechtigt ist. Ermittelt werden sie jährlich über die Steuerveranlagung. In gewissen Kantonen herrscht aber auch Antragspflicht. Man hat also nur einen Anspruch, wenn man selbst aktiv wird und die Verbilligung jährlich beantragt.Man könnte fast meinen, dass das Thema Krankenkasse eine Wissenschaft für sich ist. Eine gute unverbindliche Beratung lohnt sich auf jeden Fall.

Mein Tipp:

„Das höchste Gut, was wir Menschen haben, ist und bleibt unsere Gesundheit, dementsprechend sollte man hier nicht an der falschen Stelle sparen.“

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